Es liegt mir auf der Zunge

Zu viel Information – zu wenig Exformation

Wer jammert nicht über die Informationsflut? Zwei Exabytes, das sind zwei Milliarden Gigabytes, kommen jährlich an neuen Informationen beispielsweise allein im Internet hinzu, mindestens. Das Wissen der Welt verdoppelt sich – da streiten die Experten – alle sechs bis zwölf Jahre. Auch das nur ein Annäherungswert.

Der Zuwachs an Wissen und Information könnte objektiv gesehen eine positive Tatsache sein, subjektiv wird sie aber durchweg als unangenehm und stressig empfunden. Kein Wunder, denn die schiere Masse, die Komplexität und Chaotik der Informationsflut verringert rasant die Menge an Exformation.

Exformation ist die Menge an Informationen, die wir unausgesprochen mit dem uns umgebenden Umfeld teilen. Dazu zählt auch das Arsenal an Gesten, Lauten, Mimik, aber auch Scherzen, Dialekt- und Umgangsausdrücken, das sich  im sozialen Umfeld eingebürgert hat. Das alles wird gerne – und treffend – auch „soziales Geräusch“ genannt.

Das berühmteste Beispiel an Exformation ist ein Brief des französischen Autors Victor Hugo an seinen Verleger, in dem er nach den Verkaufszahlen seines neuesten Romans „Les Misérables“ fragte. Hugos Brief lautete schlicht: „?“. Die Antwort seines Verlegers war ebenso kurz: „!“. Und beide wussten was Sache ist. Das Buch verkaufte sich gut.

Das Problem der Informationsflut,  vor allem aber der Diversifikation der Medien ist, dass immer weniger Exformation geschaffen wird. Das Verbindende gemeinsam gelesener Medien, gemeinsam gesehener Filme und Fernsehsendungen etc. wird immer weniger, die gemeinsame soziale Taktung zunehmend reduziert.

Exformation in Social Media

Der Erfolg der Social Media ist genau aus diesem Mangel heraus zu erklären. In Facebook & Co. kommuniziert man besonders gut in einem gemeinsamen sozialen Kontext, stellt Gemeinsamkeiten durch positive Affirmationen via „Like“-Button oder durch kurze Bemerkungen und Scherze immer aufs Neue aktiv her.

Heute nur mal kurz den Namen „Westerwelle“ erwähnt, vielleicht noch durch eine ironische Bemerkung garniert, das garantiert im richtigen sozialen Kontext auf alle Fälle reichlich Affirmation. Dasselbe gilt für andere Reizwörter. Ähnlich wirksam sind Bemerkungen und Kommentare in Blogs, die einen Sachverhalt, einen Missstand oder einen Trend in wenigen Worten treffend auf den Punkt bringen.

Das Problem vieler etablierter Medien, vor allem der, die sich zu sehr auf Zulieferung von Dritt- und Billiganbietern oder austauschbaren Agenturen verlassen, ist der Umstand, dass sie vielleicht reichlich Informationen bieten, aber keine oder viel zu wenig Exformation schaffen. Das führt sehr schnell zu einer Entfremdung zwischen  Zeitung und Leser, TV und Zuschauer, Medium und User. Das passiert eher sublim und schleichend, aber dabei mit verheerenden Auswirkungen. (Das ganz besonders bei jungem Publikum.)

Digitale Exformation hat Zukunft

Nichts ist erfolgreicher, als wenn man etwas liest und sich dann freut, wie durch einen Text ein Stück Common Sense auf den Punkt gebracht ist. Nichts beeindruckt dauerhafter, als wenn ein Mediennutzer das Gefühl hat, als wäre das, was er liest oder sieht, ihm quasi schon auf der Zunge gelegen. Das ist der perfekte Moment, an dem Exformation passiert.

Medien, Content-Provider oder auch Blogs, die im Digitalen Raum Exformation schaffen, haben die besten Perspektiven. Dasselbe gilt für alle Firmen, die dies mit eigenem Content oder perfekter Nutzung/Einbindung von Social Media schaffen. Ihnen gehört die Zukunft – in einer Zeit jenseits manipulativer Werbung – in einer Zukunft der Eigenbegeisterung der Nutzer. Im Exformations-Zeitalter.

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